Du fühlst dich nicht befreit – was stimmt mit dir nicht?

Du hast ausgemistet, aber fühlst dich nicht befreit? Keine Sorge, mit dir ist alles in Ordnung. Keiner weiß, was „befreit fühlen“ eigentlich heißt und wann und wie das genau passieren soll. Außerdem kann man sich beim Ausmisten sogar auf vielfältige Weise schlecht fühlen – das ist ganz normal. Freu dich an den kleinen Erfolgen auf deiner Minimalismus-Reise und entspann dich, der Rest kommt von allein. Irgendwann, genau zum richtigen Zeitpunkt.

Johanna (Name geändert) hat mir geschrieben. Sie liest schon lange auf Dein Wichtig und im Newsletter mit und zieht nun mit ihrer Familie im Sommer um. Deshalb hat sie angefangen, auszusortieren. Sie hat sich richtig reingehängt und ihre ersten Erfolge durch Vorher-Nachher-Fotos dokumentiert – ein toller Unterschied ist auf den Bildern zu sehen. Und sie hat auch die ganze Ladung gleich weggebracht, damit der Kram aus dem Haus ist.

Ihr gefällt das Ergebnis ihrer Ausmist-Aktionen. Aber sie hat ein Problem: Sie fühlt sich nicht befreit. Obwohl sie sich „befreit fühlen sollte“. Denn sie liest überall über dieses tolle, befreite Gefühl durch das Aussortieren.

„Alle“ fühlen sich offenbar befreit. Sie aber fühlt sich gar nicht gut, erst recht nicht befreit, schläft sogar schlecht und überlegt, ob was mit ihr nicht stimmt.

Johanna habe ich per E-Mail geantwortet. Das hier aber ist für dich, wenn es dir genauso geht wie ihr. Nimm dir von meinen Ideen und Gedanken, was für dich passt.

Du fühlst dich nicht befreit – was stimmt mit dir nicht?

Ganz wichtig: Mit dir stimmt alles. Alle Gefühle die du hast, sind richtig. Und wenn du irgendein Gefühl nicht hast, ist das genauso richtig. Weil DU richtig bist! Immer!

Ja, aber alle anderen fühlen sich doch so befreit! Blogs, Social Media, Youtube, Bücher, Zeitschriften – sind voll von Berichten über das Befreitsein durchs Ausmisten.

Moment mal: ALLE? Glaub ich nicht. Es trifft nie irgendwas auf „alle“ zu. Das ist wie mit den Kindern, die aus der Schule kommen und sagen „ALLE haben ein Haustier / ein Handy / einen eigenen Fernseher.“ Das stimmt NIE! Es kommt ihnen nur auf den ersten Blick so vor.

Und:

Was soll das eigentlich heißen – „befreit fühlen“?

Wer weiß schon was die alle meinen mit „befreit“? Wovon fühlen sie sich befreit?

  • Vielleicht von der Last, immer denken zu „müssen“, dass sie endlich mal aussortieren wollen – denn sie haben es ja jetzt getan.
  • Vielleicht sind sie befreit von Aufgaben wie Putzen, Aufräumen und so weiter, die weniger geworden sind, wenn sie aussortiert haben.
  • Vielleicht auch von ihrer langen Projektliste, denn sie haben welche aussortiert, die nun nicht mehr ihre To-Do-Liste verstopfen.
  • Vielleicht fühlen sie sich befreit von dem unangenehmen Anblick ihrer „chaotischen Ecken“ und freuen sich über die Ordnung.
  • Oder befreit von der Sorge, das Aussortieren niemals hinzukriegen, denn sie sehen ja jetzt, dass sie es können.
  • Vielleicht fühlen sie sich gut durch das veränderte Raumgefühl, das für sie dadurch entsteht, dass weniger Dinge da sind.
  • Vielleicht auch dadurch, dass sie gewisse schwierige (Aussortier-)Entscheidungen getroffen haben, vor denen es ihnen vorher gegraut hatte.
  • Oder dadurch, dass sie sich anlässlich ihres Ausmistens mit emotionalen Themen befasst und sie „durchgefühlt“ oder irgendwie bearbeitet haben, so dass sie sie jetzt weniger belasten.
  • Vielleicht weil sie gemerkt haben, dass sie durch ihren Minimalismus-Weg eine Art Unabhängigkeit von unserem „modernen“ Konsumverhalten erlangt haben, die ihnen gefällt.

Wahrscheinlich ist es sogar eine bunte Mischung aus allem. Und so sagen oder schreiben sie einfach, sie fühlten sich „befreit“. Passt vielleicht für sie ganz gut und gelesen haben sie es bestimmt auch irgendwo schon.

Wann kommt das gute Gefühl?

Ok, das gute Gefühl, dass manche eben „Befreiung“ nennen, kann also auch anders heißen. Aber wann kommt es?

Auch das ist sicher super-individuell. Ich nehme an, für viele braucht es doch auch einen gewissen Grad an Minimalisierung, bis sie wirklich einen Unterschied fühlen. Das Ausmisten einer einzigen Schublade wird sicherlich bei den wenigsten Menschen ein riesiges, überquellendes Freiheits- oder sonstiges Hochgefühl auslösen.

Hab also Geduld, entspann dich und warte nicht drauf.

Enttäuscht (weil nicht befreit)?

Wenn du dich sehr darauf gefreut hast, dich endlich befreit zu fühlen – klar, dann findest du es jetzt doof dass es nicht so ist. Lass uns mal schauen.

Was erwartest du?

Warum möchtest du dich unbedingt befreit fühlen? Wie soll sich das anfühlen? Vielleicht kannst du diese Erwartungshaltung mal genauer untersuchen oder sogar drehen?

Und von wem kommt sie, diese Erwartung? „Solltest“ du dich wirklich befreit fühlen? Nein, du musst oder sollst gar nichts!

Keiner hat diese Erwartung an dich – außer du selbst. Aber warum? Warum bist du scharf auf dieses Gefühl, wofür steht es? Welche Art von Befreiung suchst du?

Warum willst du minimalisieren?

Schau dir dafür mal genauer an, warum du eigentlich aussortieren möchtest. Was ist dein ganz persönliches Ziel damit? Es gibt ja viele Vorteile von weniger Besitz – welche sind deine?

Lesetipp: Mein Artikel über die 37 besten Vorteile des Minimalismus (in dem kommt „befreit“ übrigens genau NULL Mal vor).

Und wenn du jetzt sagst „Befreit fühlen ist mein Ziel“, dann überleg noch ein bisschen weiter. Mach es konkreter. Wovon genau willst du dich befreit fühlen? Dann kannst du besser feststellen warum das (noch) nicht so ist.

Oder sind es andere schlechte Gefühle?

Dein Problem ist gar nicht die Enttäuschung über die vermisste Befreiung?

Auch andere schlechte Gefühle gibt es beim Ausmisten. Es ist anstrengend, aufwühlend und veränderungsgeladen. Ausmisten ist kein Ponyhof, nee, echt nicht. Da heißt es, das Gefühl anzuschauen und zu fühlen. Hab auch hier Geduld und sei so verständnisvoll mit dir, wie du es mit einer sehr lieben Freundin wärst.

Vielleicht kommt dein Wunsch nach Befreiung und dein schlechtes Gefühl ja auch ganz woanders her. Vielleicht kannst du gar nicht mit Aussortieren allein ans Ziel kommen, weil eigentlich was ganz anderes im Argen ist.

WICHTIG wenn es dir schlecht geht: Bittebittebitte sprich mit jemandem, dem du vertraust. Ich möchte auf keinen Fall so tun, als könne ich dich in jeder Lebenslage beraten, nur weil ich Erfahrung mit dem Minimalisieren habe.

Lass von dir hören

Wie sieht es bei dir aus? Hast du auch schon die „Befreiung“ vermisst? Oder ist das bei dir kein Problem? Wie gehst du mit solchen Gefühlen um? Hast du Tricks, Erfahrungen, Tipps?

Schreib mir das doch mal unten als Kommentar, lass uns drüber reden! So kannst du auch anderen helfen, die das hier lesen.

Danke.

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